Vielleicht liegt es mir so sehr, weil ich seit Beginn meiner schriftstellerischen Tätigkeit leidenschaftlich gern wissenschaftliche Texte verfasse und ich stehe einfach auf organisiertes Arbeiten beim Schreiben. Vielleicht brauche ich aber auch einfach die Organisation, um das Chaos meiner Ideen im Schaffensprozess überblicken zu können. Ganz egal, was es ist – und wahrscheinlich ist es eine Mischung aus beidem – das Plotten, der strukturierte Einstieg ins Schreiben fiktionaler Texte, hat sich für mich als absolut perfekt erwiesen. Darum will ich euch heute einmal erzählen, wie ich beim Plotten meines aktuellen (ersten) Romans vorgegangen bin und was die Vor- und Nachteile sind.
Vor dem Plotten
Zuerst bedarf es natürlich einer Idee, die am besten in irgendeiner Form bereits schriftlich festgehalten wird. Das geht sowohl auf Papier als auch digital. Ich habe mir zunächst handschriftlich in einem eigens dafür angelegten Büchlein Notizen zu allem möglichen gemacht – von der Grundidee, potenziellen Figuren und Schauplätzen der Handlung, über Gedanken zur Erzählperspektive bis hin zu Details wie Namen und Charaktereigenschaften der Hauptfiguren.
Als nächstes sollte der grobe Handlungsverlauf entwickelt werden. Ich habe ihn an dieser Stelle in Stichpunkten, teilweise auch tabellarisch festgehalten, bevor ich ihn dann in der Schreib-Software Patchwork ausformuliert habe, auf die ich in einem eigenen Artikel noch eingehen werde (den Link zur Website findet ihr aber schon unten). Im Anschluss ist es sinnvoll, die Figuren detaillierter zu entwerfen und sich dem Weltenbau bzw. der ersten genaueren Konzeption der Handlungsorte zu widmen. Wie ich das gemacht habe, erzähle ich euch ebenfalls bald in gesonderten Beiträgen ausführlicher.
Plotten
Und nun konnte es richtig losgehen! In einem ersten Schritt musste das Plotsystem ausgewählt werden. Ein Beispiel ist der klassische Dreiakter, es gibt eber auch komplexere Systeme wie das Beat-Sheet nach Snyder. Durch Füllen der einzelnen Plotschritte mit grobem Inhalt entstand nun bereits eine erste Verfeinerung des zuvor noch sehr groben Handlungsentwurfs. Im zweiten Schritt habe ich dann die Kapitelstruktur entwickelt, indem ich auf Basis des zuvor entwickelten Plots festgelegt habe, wieviele Kapitel jeder Plotschritt umfassen sollte. Und schließlich habe ich in einem dritten Schritt den Mikroplot zum groben Plot jedes einzelnen Kapitels entwickelt. Dabei habe ich jeweils Unterabschnitte erstellt und zu diesen dann Inhaltsnotizen formuliert.
Beim Plotten haben sich die Handlung, Figuren, Schauplätze, eigentlich die gesamte Welt meines Romans fortwährend weiterentwickelt. Immer wieder tauchten z. B. noch offene Fragen auf, durch deren Beantwortung sich wiederum Veränderungen oder Ergänzungen des weiteren Handlungsverlaufs ergaben. Oder es stellte sich beispielsweise heraus, dass eine Figur einer ihr zugedachten Aufgabe aufgrund ihrer Charakterzüge doch nicht im Alleingang gewachsen war und Hilfe einer weiteren Figur benötigte, was wiederum Handlungsverlauf sowie Figurenkonstellation und auch die Persönlichkeitsentwicklung der beteiligten Figuren beeinflusste.
Nach dem Plotten
Am Ende des Plotting-Prozesses hatte ich so schließlich eine Art Gerüst für das eigentliche Schreiben geschaffen. In der Software nahm ich nun bestimmte Aktionen zum Übertragen der entstandenen Kapitelstruktur inklusive der Mikroplotschritte (d. h. meiner Notizen zum Inhalt der einzelnen Kapitel) in den Schreibbereich vor.
Doch vor dem anschließenden Start des tatsächlichen Schreibprozesses ist es sinnvoll, die Figuren und den Weltenbau bzw. die Schauplätze auf Grundlage der Entwicklungen während des Plottens noch einmal zu überarbeiten und anzupassen. Denn wie beschrieben entwickeln sich auch beim Plotten Figuren und Welt vielfach gefühlt fast selbstständig weiter (mitunter in zuvor ungeahnte Richtungen). Dass dieser Einstieg ins Schreiben weniger kreativ und dadurch trockener wäre als das intuitive ‚Drauflosschreiben‘, ist somit ein nicht zutreffendes Vorurteil.
Vor- und Nachteile
Damit ist bereits ein häufig benannter Nachteil des Einstiegs durch Plotten widerlegt. Unbestreitbar ist hingegen, dass es sich recht lange hinziehen kann – abhängig vom Umfang des Romanprojekts durchaus über viele Monate – und sich das Gefühl einstellen kann, ewig mit Vorarbeiten beschäftigt zu sein, bis endlich das wirkliche Schreiben beginnt. Ich halte es dennoch für der Mühe wert, denn es bringt auch Vorteile:
- Beim eigentlichen Schreibprozess sinkt die Gefahr, sich zu verzetteln, auf ein Minimum, weil durch das vorangegangene Plotten die Handlung bereits komplett logisch durchdacht wurde. So entgleitet sie einem nicht so leicht und man kann sich stärker aufs Schreiben an sich konzentrieren.
- Möglicherweise auftretende Ungereimtheiten (insbesondere bei umfangreichen oder gar mehrbändigen Werken) fallen durch die Strukturiertheit beim Plotten schneller auf und lassen sich in diesem Arbeitsschritt noch deutlich unkomplizierter beheben als im eigentlichen Schreibprozess.
Fazit
Da der strukturierte Schreibeinstieg über das Plotten ebenso kreativ und fantasievoll wie das intuitive ‚Drauflosschreiben‘ ablaufen kann und meiner Erfahrung nach auch muss – wie sollte ich ohne Kreativität und Fantasie eine Romanhandlung erdenken?! – überwiegen meines Erachtens hier die Vorteile die eigentlich kaum bis gar nicht vorhandenen Nachteile. Ich gebe zu, anfangs habe ich auch mitunter gedacht, die Vorarbeit des Plottens dürfte nicht so lange dauern. Dann wurde mir aber klar, dass es sich dabei einfach um einen alternativen Zugang zum Schreiben handelt, der keine zusätzliche Zeit erfordert, da an späterer Stelle, beim Schreiben, Zeit eingespart wird. Und dass deshalb das Plotten gar nicht als Vorarbeit, sondern als elementarer Teil des Schaffensprozess wie jeder andere zu sehen ist.
Letztlich bleibt die Art und Weise des Schreibeinstiegs aber natürlich immer auch eine Geschmackssache. Und wie in der Überschrift bereits angedeutet: Für Autorinnen und Schriftsteller, die entweder von Natur aus stets alles gern organisiert und strukturiert haben, oder gerade weil sie sonst (wie ich) in ihrem eigenen Chaos versinken würden, auf etwas Ordnung und Struktur angewiesen sind, ist dieser Schreibeinstieg auf jeden Fall einen Versuch wert!
Vielleicht mag ja der Eine oder die Andere es auch mal ausprobieren oder hat schon (positive/negative) Erfahrungen damit gemacht?! Dann freue ich mich sehr über jeden Kommentar und regen Austausch dazu!